Tag 1, Freitag

(Heimstetten -) Gauting – Starnberg – Wolfratshausen – Bad Tölz – Sylvensteinspeicher – Achenpass – Zillertal – Gerlos – Mittersill – Felbertauerntunnel – Defreggental – Staller Sattel – Antholz – Bruneck – Corvara – Pso. Di Campolongo

Wo wollen wir dieses Mal hin? Landläufig spricht man ja immer von „Südtirol“ als Reiseziel doch diese Jahr ist nur ein relativ kleiner Anteil der Tour in dieser autonomen Region Norditaliens. Vielmehr wollen wir größtenteils Strecken im Trentino (früher auch „Welschtirol“, amtlich „Autonome Provinz Trient“ oder italienisch „Provincia autonoma di Trento“) und in Venezien (oder „Venetien“, italienisch „Regione del Veneto“) unter die Reifen nehmen. Schwerpunktmäßig sind wir aber in den Dolomiten unterwegs und dies eignet sich auch als Titel für 2016.

Als alteingespieltes Team treffen wir uns am Freitagmorgen in Gauting. Bereits auf der Anfahrt regnet es – ein schlechtes Omen, das uns auch die nächsten Tage nicht verlassen wird. Nach der üblichen Begrüßungszeremonie (den Einen oder Anderen im Team sehe ich tatsächlich fast nur einmal im Jahr zu dieser Tour!) starten wir in Richtung Starnberg und schlagen uns dort auf die östliche Uferseite des Sees.

Die Strecke über Wolfratshausen, Bad Tölz, den Sylvensteinspeicher und den Achenpass nebst gleichnamigen See ist unspektakulär, doch dank des überschaubaren Verkehrs laufen die ersten Kilometer flott von der Uhr. Schon sind wir im Zillertal, wo der befürchtete Kolonnenverkehr ausbleibt, so dass wir es bereits kurz darauf über den Gerlospass, auch Pinzgauer Höhe genannt,  wieder verlassen. Auf der Passhöhe nehmen wir die bevorzugte alte Passstraße – nicht nur um die Maut zu sparen, auch weil diese Variante ungleich reizvoller und verkehrsärmer ist. Lediglich die spektakulären Ausblicke auf die Krimmler Wasserfälle sind hier nicht so ausgeprägt, wobei sich der eine oder andere Panoramablick auf diese höchste Wasserkaskade Europas dann doch erhaschen lässt.

Der Pass spuckt uns in Wald im Pinzgau wieder aus und wir setzen den Weg nach Mittersil und weiter zum Felbertauerntunnel fort. Diese schnelle und auch einigermaßen preiswerte Nord-Süd-Verbindung ist seit Juli 2013 wieder problemlos befahrbar. Ein Felsrutsch hatte nach den verheerenden Unwettern im Mai des gleichen Jahres die Fahrbahn auf einer Länge von 95 m verschüttet. Nebeneffekt des Unglücks ist ein neuer Fahrbahnverlauf auf der Südseite des Tunnels. Am Ende der Galerie fällt uns die interessante Preisgestaltung auf: 11,-€ kostet die einfache Durchquerung, und zwar für Autos und Motorräder gleich (?!). Bei einer kurzen Rast direkt an der Mautstation rätseln wir, wie dies begründet sein könnte, keiner von uns kann sich aber einen Reim darauf machen.

Unabhängig davon meldet sich bei uns der Hunger – schließlich geht die Uhr schon auf 2 zu. Also höchste Zeit! Die nächstmögliche Wirtschaft steuern wir also an und stärken uns erst mal mit typischen regionalen Genüssen.

Kurz darauf sitzen wir wieder in den Sätteln und schwingen uns nach wenigen Kilometern rechts ins Defreggental. Die nächste Zwischenetappe ist der Stallersattel. Die etwas exotisch anmutende Einbahnregelung ab der Passhöhe (in Richtung Italien darf die Strecken nur von der 0. – 15. Minute befahren werden) zwingt uns eine etwa 30-minütige Wartepause auf. Bei unserem sprichwörtlichen Glück hat es mittlerweile wieder richtig zu regnen begonnen – hurra!

Bis die Ampel zur vollen Stunde auf grün springt, haben sich schon etliche Motorradfahrer hier versammelt, die im strömenden Regen ungeduldig auf die Weiterfahrt warten. Aber schließlich geht es doch weiter und bei sintflutartigem Niederschlag befahren die die schmale, aber gut ausgebaute Passstraße und erreichen das Antholzer Tal.

Was zur Winterzeit als Biathlon-Hochburg weltbekannt ist, fristet in den Sommermonaten ein eher beschauliches Dasein, was es deshalb aber nicht unbedingt weniger reizvoll macht.

Nachdem wir Bruneck hinter uns gebracht haben, folgen wir dem Gadertal die letzten Kilometer nach Corvara und schließlich zu unserer Unterkunft für die nächsten Tage auf dem Passo die Campolongo.

Nach dem obligatorischen Begrüßungsbierchen – ausnahmsweise regnet es kaum noch, so dass wir auf es auf der Terasse genießen können – beziehen wir unsere Zimmer, duschen und freuen uns schließlich auf das verdiente Abendessen.

Tag 2, Samstag

Pso. Di Campolongo – Arraba – Pso di Giau – Cortina d’Ampezzo – Lago di Misurina – Drei Zinnen – Toblach – Pragser Wildsee – Kronplatz – Würzjoch – Gufidaun – Grödner Tal – Sella Joch – Pordoijoch – Pso. Di Campolongo

Nach dem ausgiebigen Frühstück starten wir in Richtung Arraba. Schnell merke ich, dass die für diesen Tag ins Navi eingespeicherte Tour nicht abrufbar ist. Verdammte Technik – ist mir noch nie passiert! Aber: jahrelange Erfahrung und entsprechende Ortskenntnis ermöglichen es, die geplante Route aus dem Gedächtnis zu fahren.

Dies wird zwar durch die eine oder andere Baustelle oder Umleitung etwas erschwert, nichtsdestotrotz treffen wir den größten Teil der geplanten Etappen. Im Straßenlabyrinth von Cortina d’Ampezzo verlieren wir zwar einen unserer Mitfahrer, dieser stößt aber kurz darauf knapp vor dem Passo Tre Croci wieder zu uns.

Das geplante Zwischenziel Tre Cime lassen wir mit Blick auf die wolkenverhangenen Berge für heute ausfallen und setzen den Weg in Richtung Toblach fort. Schade, denn wir hatten uns bereits auf die viel gelobten Panoramablicke gefreut.

Am Pragser Wildsee werden wir von Touristenmassen fast erschlagen und so lassen wird auch diesen Hotspot aus. Ich wollte zwar unbedingt das geschichtsträchtige Hotel in Augenschein nehmen, spielte sich doch hier zum Ende des 2. Weltkriegs noch noch ein wichtiges Ereignis ab: auf Initiative der SS wurde die prominentesten politische Gefangenen der Nazis über mehrere Etappen hierher gebracht. Die SS-Wächter hatten Befehl, die Geiseln keinesfalls lebend in die Hände des Feindes geraten zu lassen. Der mutige Einsatz eines Wehrmachtsoffiziers ermöglichte aber, dass die Gefangen unbeschadet von der US-Army befreit werden konnten. Unter den Geiseln waren u. a. der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg mit Familie, der evangelische Pastor Martin Niemöller und Familienangehörige des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Auf dem Rückweg durch das Pragser Tal kehren wir in einer Speckstube ein und stillen unseren Hunger. Perfektes Timing, denn während wir geschützt unter Markisen die deftigen Speckplatten, Nudeln und Polenta genießen (alles hausgemacht!), schüttet der Himmel aus, was er zu bieten hat. Diesem Mal trumpft er sogar mit Hagel auf, wofür er von uns als Quittung nur lange Nasen gezeigt bekommt.

Mit vollen Mägen geht es weiter zum Kronplatz und da uns das Wetter immer noch nicht wohlgesonnen ist, entschließen wir uns, die letzte und eigentlich sehr reizvolle Etappe über das Würzjoch, Gufidaun, das Grödner Tal, Sella- und Pordoijoch drastisch zu beschneiden und stattdessen den kürzesten Weg durch das Gadertal zum Hotel zu nehmen.

Tag 3, Sonntag

Pso. Di Campolongo – Arraba – Lago di Alleghe - Pso. Rolle – Monte Grappa – Valsugana – Pso. St. Boldo – Pso. Duran – Pso. Falzarego – Pso. Valparola - Pso. Di Campolongo

Rein zufällig teilte uns die nette Bedienung im Hotel mit, dass für diesen Sonntag die ganze Sella Ronda für den kompletten motorisierten Verkehr gesperrt wird. Grund dafür ist ein großes Radrennen. Wenn wir aber vor 9 Uhr starten, sind wir rechtzeitig aus dem Pässe-Geviert heraus und könnten die Sperre umgehen bzw. –fahren. Ist dies schon einVorgeschmack auf die immer wieder aufs Neue thematisierte Komplettsperrung dieses UNESCO-Weltnaturerbes? In der Tat droht die UNESCO mit der Aberkennung des Titels, daher sehen sich die Verantwortlichen unter Druck. Das Thema ist jedenfalls spannend und der Ausgang bleibt abzuwarten.

Wir jedenfalls starten wir pünktlich um 8:30 vom Hotel – mal wieder Richtung Arabba, wo uns trotz früher Stunde bereits die ersten Radler entgegenkommen. Kurioser sind aber die scheinbar eigens abgestellten Fotografen, die tlw. mitten auf der Fahrbahn sitzend oder liegend auf spektakuläre Bilder hoffen. Wir können da leider nicht unterstützen, versuchen aber, möglichst wenige zu überfahren.

Heute halten wir uns mehr südlich und dringen tiefer ins Veneto vor. Scheinbar meint es auch das Wetter im Moment etwas besser mit uns.

Beim Überqueren den Rollepasses muss ich immer an eine kleine Anekdote denken, die ich hier vor einigen Jahren erlebt hatte: mit einem geliehenen BMW der ausreichend PS unter der Haube hatte, zog ich einigermaßen flott meine Bahnen und wunderte mich bald, dass in den Kehren die Reifen laut quietschten. Dies passte aber nicht zur gefahrenen Geschwindigkeit, die - wie gesagt – flott, aber nicht zu schnell war. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel löste das Rätsel auf: hinter mir hatte sich ein Mercedes-Transporter in den Kopf gesetzt, ein Rennen mit mir zu veranstalten.

Auf Grund der deutlich niedrigeren Motorisierung schaffte er das nur, indem er das Gas bis zum aller letzten Moment vor der Kehre stehen ließ um dann voll in die Eisen zu steigen (daher das Quietschen!) und kurz darauf wieder Vollgas zu geben. Da es sich um einen örtlichen Lieferanten handelte, gehe ich mal davon aus, dass der die Strecke bereits hunderte Male gefahren ist und mit jedem Stein per Du war.

Trotzdem geht das natürlich nicht, dass ein hochmotorisierter BMW hier den Kürzeren zieht. Ein beherzter Tritt auf das Gaspedal entschied das Kräftemessen sehr schnell…

Weiter fahren wir Richtung Monte Grappa, doch auch auf dieser Teilstrecke haben wir kein Glück: Eine großangelegte Straßensperre hindert uns am Weiterfahren. Grund ist auch hier wieder mal ein Fahrradrennen. Der abgestellte Streckenposten plappert pausenlos auf mich ein – ich verstehe ihn nicht – er versteht mich nicht - also drehen wir um und suchen schnell nach möglichen Alternativen.

Über den Passo Cereda halten wir uns östlich, denn was wir keinesfalls ausfallen lassen wollen, ist die Befahrung des Passo San Boldo, den ich als Höhepunkt des heutigen Tages vorgesehen hatte.

Bei Agordo geht es dann zunächst weiter in südlicher Richtung nach Sedico und kurz danach bei San Boldo dann den gleichnamigen Pass hinunter. Auch hier regelt eine Ampel den Verkehr, denn die spektakuläre Trasse mit 5 in den Felsen gesprengten Kehrtunnels ist immer nur jeweils in einer Richtung befahrbar. Die Geschwindigkeitsbegrenzung gewährt uns genügend Zeit, die im ersten Weltkrieg von Pionieren der österreichisch-ungarischen in nur 3 Monaten errichtete Straße zu bewundern („Straße der 100 Tage“). Viel zu kurz ist die Abfahrt...

In Longarone, bekannt durch die Staudamm-Katastrophe von 1963,  zweigen wir nach links ins Val di Zoldo ab. Unsere Mägen erinnern uns an die vorgerückte Stunde. Nach längerem Suchen nach einer geeigneten Einkehrmöglichkeit steht diese plötzlich am Passo di Cibiana direkt vor uns, unscheinbar aber einladend.

Nachdem wir unsere Mopeds abgestellt haben fragt uns der Patrone schon, ob wir hungrig sind. Nachdem wir das bejahen, strahlt er über alle Backen und beginnt den Tisch zu decken. Den weiteren Service übernimmt dann die Tochter des Hauses, die – da im oberfränkischen Hof aufgewachsen – perfekt deutsch spricht.

Im Folgenden werden wir mit kleinen Schweinereien aus eigener Herstellung beglückt, dazu verschiedene Käsesorten (als Antipasti - ebenfalls eigene Produktion). Als nächsten Gang (Primi Piatti) gibt es wahlweise canederli (3 verschieden Sorten kleine Knödelchen) oder Spätzle (ebenfalls 3 verschiedene). Im Normalfall ist man nach diesen beiden Gängen schon pappsatt, aber unsere Wirtsleute lassen es sich nicht nehmen, auch noch mit secondi aufzuwarten. Auch hier haben wir wieder die Wahl: entweder ein Gulasch nach einheimischer Art oder mit Käse überbackene Polenta mit kleinen Hackbällchen – ganz leichte Kost. WOW!

Hier wäre zur Verdauung noch ein schöner alter Grappa angebracht, aber mit Blick auf unsere wartenden Mopeds verkneifen wir und diesen bis zum Abend.

Als wie die Heimfahrt antreten wirken unsere Bikes deutlich tiefer gelegt, was sich aber auf Grund des jetzt einsetzenden Wolkenbruchs als hilfreich erweisen könnte.

Dieses Mal erwischt uns der Regen voll! Alle Regengüsse der vergangenen Tage erweisen sich als leichtes Nieseln. Etwa zwei Stunden fahren wir weiter durch das Valle del Boite, Cortina d’Ampezzo und den Ciau-Pass nach Arraba und zum Hotel. Die Kombis erweisen sich zwar als wasserdicht (nur an Kragen und Ärmeln saugt sich die Feuchtigkeit etwas ins Innere), doch der gedankenlos in einer Außentasche verstaute Geldbeutel bringt am Ende der Tour frisch gewaschenen Geldscheine, Münzen und Papiere hervor. Aber wozu gibt es denn einen Föhn auf dem Zimmer?

Das obligatorische Ankunftsbier lasse ich dieses Mal aus und genieße stattdessen eine ausgiebige heiße Dusche. Selten war sie so wohltuend!

Tag 4, Montag

Pso. Di Campolongo – Grödnerjoch – Grödnertal – Etschtal – Oberbozen - Sarntal – Penser Joch – Sterzing – Brenner – Axams – Zirler Berg – Mittenwald – Wallgau – Kesselberg – Bad Tölz – Holzkirchen – Heimstetten

Und schon wieder neigt sich der Kurzurlaub dem Ende zu. Am 4. Tag der Reise treten wir den Nachhauseweg an. Aber: der Weg ist das Ziel und so genießen wir auch noch diesen letzten Tag, zumal auch das Wetter heute gnädig mit uns ist.

Diesen Tag beginnen wir mit der Abfahrt vom Passo die Campolongo nach Corvara und von dort weiter über das Grödner Joch nach Wolkenstein ins Grödner Tal.

Bei Waidbruck kommen wir ins Etschtal, wo wir uns an der gegenüberliegenden Hangseite sofort wieder nach oben schrauben und nach Lengmoos gelangen. Dort setzen wir den Weg über Oberinn ins Sarntal fort. Diesem folgend gelangen wir auf das Penser Joch, wo es erwartungsgemäß eher frisch und windig ist. Daher verlieren wir hier nur so viel Zeit wie unbedingt nötig und schwingen und wieder talwärts nach Sterzing.

Ab hier folgen wir der Hauptroute zum Brenner, wo wir uns nach einer sättigenden Einkehr kurz vor Innsbruck links nach Axams in die Büsche schlagen. Zwischen Axams und Zirl durchqueren wir das Inntal und halten uns weiter nördlich Richtung Zirler Berg.

Ab jetzt wieder in Heimatgefilden unterwegs, rollen wir die restliche Etappe wie im Schlaf herunter: Mittenwald, Wallgau, Walchensee, Kesselberg (hier fahren immer noch zu viele Verrückte herum!) bis Kochel.

Hier trennen wir uns, die Gautinger Mannschaft fährt weiter über Penzberg, der Rest über Bad Tölz und Holzkirchen. Am Ende ist jeder zufrieden zu Hause angekommen.

Fazit

Geile Tour, auch wenn das Wetter nicht oder nur teilweise mitgespielt hat. An der Unterkunft war nichts auszusetzten, auch wenn es nach unser aller Geschmack ein Nummer zu groß und zu unpersönlich war (Gelobt sei unser Stammquartier im Passeier Tal). Dies wird auf alle Fälle bei der nächsten Tour besonders berücksichtigt!